Krankenhauskeime: Bundesgerichtshof zeigt Weg für aussichtsreichere Patienten-Klagen auf
Vertritt man als Rechtsanwalt Patienten im Arzthaftungsprozess, so wird man regelmäßig mit einem im deutschen Gesundheitswesen besonders weit verbreiteten Problem konfrontiert. Noch immer erleidet in deutschen Krankenhäusern eine unverhältnismäßig große Anzahl an Patienten Infektionen mit multiresistenten Keimen, mit teils sehr gravierenden und sogar tödlichen Folgen. Obwohl sich Fachleute darin einig sind, dass sich das Risiko derartiger Infektionen am effektivsten durch umfassende und konsequente Hygienemaßnahmen reduzieren lässt, verlaufen die Klagen betroffener Patienten bislang nur sehr selten erfolgreich. Grund hierfür ist der Umstand, dass der Patient zum einen den konkreten Hygieneverstoß nachweisen muss, der für seine Infektion verantwortlich sein soll. Zusätzlich muss er, wenn es sich nicht um einen groben Hygienefehler handelt, auch noch den Beweis dafür erbringen, dass die Infektion ohne den nachgewiesenen Hygienefehler tatsächlich nicht aufgetreten wäre. An diesen hohen Beweisanforderungen scheitern die meisten Klagen, die eine Infektion mit Krankenhauskeimen zum Gegenstand haben.
Der Bundesgerichtshof hat nun in einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2019 (AZ: VI ZR 505/17) einen Weg aufgezeigt, der die Chancen für derartige Klagen verbessern dürfte. Zwar hält das Gericht an seiner Rechtsprechung zur Beweislast fest. Es stellt jedoch gleichzeitig hohe Anforderungen an die Darlegungslast des beklagten Krankenhauses.
In dem entschiedenen Fall hatte die Patientin dem Krankenhaus Hygienemängel vorgeworfen. Das Landgericht Lüneburg und im Berufungsverfahren das OLG Celle waren diesem Vorwurf jedoch nicht weiter nachgegangen, da die Klägerin keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für den behaupteten Hygieneverstoß vorgetragen habe.
Der Bundesgerichtshof hat die Berufungsentscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück verwiesen. Dabei hat er festgestellt, dass der Patient im Arzthaftungsprozess nicht verpflichtet sei, mögliche Entstehungsursachen einer Infektion zu ermitteln und vorzutragen. Vielmehr genügt es, wenn der Patient auch ohne weitere Konkretisierung einen Hygieneverstoß behauptet, um die sogenannte sekundäre Darlegungslast auf Seiten des beklagten Krankenhauses auszulösen. Das Krankenhaus muss dann konkret zu den dort ergriffenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz im Krankenzimmer des Patienten vortragen, etwa durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen sowie der einschlägigen Hausanordnungen und Bestimmungen des Hygieneplans. Kommt das beklagte Krankenhaus dieser sekundären Darlegungslast nicht nach, so wird sein Bestreiten eines Hygienemangels vom Gericht nicht berücksichtigt. Der Patient muss dann also mangels ausreichend konkreter Darlegungen des Krankenhauses den Hygienemangel selbst nicht mehr nachweisen.
Grundsätzlich bleibt es jedoch bei der Notwendigkeit, als Patient die Ursächlichkeit des Hygienemangels für die eigene Infektion nachzuweisen. Hier hilft dem Patienten lediglich die vom Bundesgerichtshof noch einmal bestätigte Beweislastumkehr im Falle eines groben Hygienemangels.
Urs Früh
Fachanwalt für Medizinrecht
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